Charles Birger

*05.02.1881 (Litauen)†19.04.1928 Benton, Illinois (USA)

Die Geschichte eines Mannes, der in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts mit gepanzerten Wägen die Konkurrenz auszuschalten trachtet, nebenbei die Polizei bekämpft und zuguterletzt auch den örtlichen Ku Klux Klan entscheidend schwächt.

I`ve killed men, but never a good one

Charles Birger, der eigentlich Shachna Itzik Birger heisst und als Kind aus dem russischen Zarenreich in die USA emigriert, ist mit Bestimmtheit einer der buntesten Vögel, die die Prohibitionszeit mit sich gebracht hat. Auf der einen Seite ein Wohltäter und Förderer der lokalen, verarmten Bergbau-Community, andererseits ein Mann, der nicht nur den regionalen Schwarzhandel und Schmuggel mit aus Florida importiertem jamaikanischem Rum komplett kontrolliert und dirigiert sondern auch die Prostitution und das Glücksspiel sein eigen nennt. Es ist die Geschichte eines Mannes, der in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts mit gepanzerten Wägen die Konkurrenz auszuschalten trachtet, nebenbei die Polizei bekämpft und zuguterletzt auch den örtlichen Ku Klux Klan entscheidend schwächt; eines Mannes, dem 1926 durch den ersten auf US-amerikanischem Boden stattgefundenen Luftgranatenabwurf zu Leibe zu rücken versucht wird. „It\\`s a beautiful world“ summiert er seine Erlebnisse Sekunden vor dem Schritt zum Galgen.

Der Sommer 1901 bringt einen 20-jährigen Birger zum freiwilligen Eintritt in die Armee. Er wird bei einem Reiterregiment in South Dakota stationiert, nach drei Jahren rüstet er 1904 ab. Er heuert für eine Weile offiziell als Cowboy an, jedoch nur, um die Pferde stehlen zu können und kehrt mit dem Gewinn nach Illinois zurück. Er heiratet, wird kurzfristig Minenarbeiter, um diese Tätigkeit dann doch mit dem Ausschank in einem der örtlichen Saloons zu tauschen.

1920 wird ein bundesweites Verbot für Herstellung, Verkauf und Transport von Alkohol erlassen. Eine Maßnahme, die dazu führt, dass in den USA nicht weniger als doppelt so viel harte (und vor allem fragwürdige) Alkoholika konsumiert werden als zuvor. Sofort erblickt Charles Birger seine Chance. In etwas abgelegener Gegend eröffnet er sein „Shady Rest“ - ein sogenanntes „speakeasy“, eine illegale Kneipe, bei der auch mal gerne Eis in die Drinks gemischt wird, um fehlende Qualität zu kaschieren, und wo es grundsätzlich etwas leiser zugehen muss, um nicht aufzufallen. In Birgers speakeasy geht es aber etwas lustiger zu. Sein gesamtes Land lässt er zum freien Campingplatz ausrufen - für Liebespaare im prüden Amerika eine Oase. Und das wichtigste: Nachbarn gibt es keine, Polizei ist weitgehend nicht präsent. Zur Sicherheit hat Birger aber seine Bude auch leicht befestigt und mit einem Maschinengewehrnest am Dachboden ausgestattet.

Kriminalität abseits der eigenen duldet Birger in seinem Bezirk nicht. So bezahlt er z.B. den Schaden eines Überfalls auf den örtlichen Kleinladen aus eigener Tasche. Dass die Räuber tags darauf tot in der Prärie liegen werden, erfährt kaum jemand. Und auch nicht, dass Birger vom Shady Rest aus seine krummen Dinger plant. Oder es wird verschwiegen. Charles Birger, Sohn armer Einwanderer, hat es endlich zu etwas gebracht. Er ist nun ein smarter Cosmopolit, schick gekleidet und angesehenes Mitglied seiner Community, die Girls liegen ihm zu Füßen. Er unterstützt planmässig Waisen und Witwen, ist nett mit den Menschen und sie mögen ihn dafür. Sie sehen zu ihm auf und er selbst fühlt sich als ihr Beschützer. Wenn da nicht doch ein paar Polizisten nicht zu schmieren wären. Und erst recht dieser unsägliche Ku Klux Klan ...

Der Ku Klux Klan erlebt nämlich in dieser Zeit seinen zweiten Frühling. Ab 1923 ist er in Illinois so wiederstarkt, dass massenhaft Unliebsame (Linke, Liberale, Katholiken ...) von den öffentlich gewählten Sitzen vertrieben und diese – meist unter Duldung der Exekutive – mit eigenen Klanleuten besetzt werden können. Die bundesbehördlich sogar dazu ermunterten KKK-Mobs durchsuchen jedes Haus nach illegalem Alkohol und finden reichlich Beute. Die BewohnerInnen des auch „Little Egypt“ genannten Landstrichs sind zumeist ImmigrantInnen aus Italien, denen Wein Teil ihrer Lebenskultur ist. Des Alkoholbesitzes Überführte werden in eigenen „Klangefängnissen“ festgehalten. Nachdem der örtliche Klanchef bei einem Scharmützel niedergestreckt wird, sieht Birger, dem das alles schon zu bunt wird, den richtigen Zeitpunkt für den finalen Schlag. Gemeinsam mit den zunächst noch Verbündeten Kumpels der „Shelton Gang“ (laut Saturday Evening Post „America\\`s bloodiest gang“) überfällt er den regionalen KKK-Hauptstützpunkt mit Schrotflinten, selbstgebastelten Bomben und Maschinengewehren. Die herbeigerufene Polizei reagiert nicht und die Angreifer haben leichtes Spiel. In den Tagen darauf fliegt noch so manche Dynamitstange über den Zaun oder auf ein Dach. Der Ku Klux Klan ist dauerhaft geschwächt, es nehmen sogar alle gewählten Personen ihre Sitze in den jeweiligen Ämtern wieder ein.

Nachdem der eine Feind ausgeschaltet ist und die Polizei ohnehin eher defensiv agiert, bleibt der Schwarzhändlerszene nichts besseres, als sich zu entzweien. Die 50-Mann starke Truppe der drei Shelton Brothers scheint der „gang of punks“ rund um „machine gun Charley“ ein weit überlegener Gegner um die regionale Vorherrschaft zu sein. Es folgen regelrechte shootouts und drive-by-bombings aus selbstgebastelten gepanzerten Wägen und Trucks, die Sheltons lassen das Shady Rest sogar aus der Luft mit Granaten bewerfen. Die Zahl der Toten ist hoch. Die Shelton Brothers müssen sich jedoch wegen eines Raubüberfalls vor Gericht verantworten. Charles Birger nützt die Chance und sagt, eine kugelsichere Weste tragend, vor Gericht gegen sie aus. Für schuldig befunden, werden sie 1926 zu jeweils 25 Jahren Haft verurteilt. Carl und Bernie Shelton werden kurz nach ihrer Entlassung 1948 bzw. 1949 vom früheren Gangmitglied Frank „Buster“ Wortman zum Abschuss freigegeben und ermordet, während Earl Shelton schwer verletzt nach Florida entkommen kann.

Bis 1928 ist Birger nun die fast unumstrittene No. 1 im südlichen Illinois. Schmuggel, Schwarzhandel, Prostitution und Glücksspiel – alles in (s)einer Hand. Er hat jedoch nach wie vor Widersacher, die ihm diese Rolle streitig machen. Als ihm Joe Adams, der Bürgermeister von West City und ein korrumpierter Shelton-Vertrauter, die Herausgabe eines gepanzerten Wagens, der bei ihm zur Reparatur in der Garage steht, verweigert, lässt Birger das Haus mit Bomben angreifen. Adams überlebt, aber nur um kurze Zeit später von zwei Mördern aus nächster Nähe abgeschossen zu werden. Birger wird mit dem Mord in Zusammenhang gebracht und verhaftet. Er lässt es widerstandslos geschehen - es wäre ja nicht das erste Mal, dass er verhaftet wird, um dann dank guter Anwälte und korrupter Justizbehörden unbeschadet aus der Sache zu entkommen. Oft genug durfte er als „amtsbekannter Wohltäter“ sogar seine eigenen Waffen mit in die Zelle nehmen!

Diesmal irrt er jedoch, denn er wird nicht in seinem Heimatbezirk sondern im benachbarten Franklin County zur Anklage gebracht und durchgehend von einem halben Dutzend Schwerbewaffneter bewacht. In Franklin County hat er keinen Einfluss, der Marschall ist ein KKK-Mann, zur Absicherung hat dieser 1000 Bewaffnete auf Abruf gesetzt. Die mitangeklagten Mörder sagen gegen Birger aus, um ihre Köpfe zu retten. Das können sie in der Tat, nur Birger wird wegen Anordnung eines Mordes zum Tode durch den Strang verurteilt. Dies wird die letzte öffentliche Hängung in Illinois sein, und sie wird zum Bersten voll besucht sein.

Charles „a man who took care of his friends and neighbours“ Birger empfängt während seiner Haft eine Unzahl von Danksagungen. Und er spornt die Galgenbauer an, möglichst fest zu bauen. Er merkt an, dass auch wenn er jetzt zu Unrecht verurteilt wurde, die restlichen Schandtaten, für die er nicht verurteilt wurde, ausreichen würden, um die Sache auszugleichen. Zwei Selbstmordversuche scheitern. Währenddessen posieren seine Pistolenkumpels schwer bewaffnet vor den Kameras, um Ansichtskarten in Umlauf bringen und verkaufen zu können.

Birger wählt für seinen letzten Gang eine schwarze Kapuze, um nicht mit einem KKK-Mitglied verwechselt zu werden, lässt sich von einem Rabbi begleiten, schüttelt dem Henker freundlich die Hand und sagt gelassen „it`s a beautiful world“. Die St. Louis Post titelt „Charles Birger Dies Smiling“.


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