Johann “Schani” Breitwieser
*1891 Wien Meidling (Österreich) †1.4.1919 St. Andrä–Wördern, Niederösterreich (Österreich) Gebiet: (Ost)Österreich
Aus den Slums der Meidlinger Vorstadt stammend, bringen ihn seine legendären Einbrüche und Umverteilungen (z.B. eine halbe Million Goldkronen aus der Hirtenberger Munitionsfabrik) sogar in die Presse vor die Frontberichte des Ersten Weltkriegs. Vom Richter gefragt, warum er einen Einbruch durchgeführt hat, beantwortet er als Jugendlicher knapp mit „Aus Not“. Er wird in St.Andrä/Wördern tödlich „verhaftet“, bis zu 40.000 Menschen wohnen seiner Beerdigung bei.
Shirt
Galerie
Junger Schani Breitwieser (Meidlinger Bezirksmuseum)
Buchumschlag “Johann Breitwieser. Ein Lebensbild” (Kraszna 1925)
Schani Breitwieser 1918 (Meidlinger Bezirksmuseum)
Schanis Gedicht an die Mutter, um 1905 (Kraszna 1925)
Schani Breitwiesers Tasche (Wiener Kriminalmuseum)
Schani Breitwiesers Ausrüstung (Wiener Kriminalmuseum)
Schani Breitwieser Connections (Zeller-Zellenberg “Seid lieb auch zu Disteln” 1976)
Schani Breitwieser Grab am Meidlinger Friedhof
Fritz Mandl (Hirtenberger Munitionsfabrik)
Gatterhölzl um 1890 (Meidlinger Bezirksmuseum)
Nach der "tödlichen Verhaftung" (Zeller-Zellenberg "Seid lieb auch zu Disteln" 1976)
Warum? Aus Not.
Selbst Wien hat seine Helden, der Einbrecherkönig Johann „Schani“ Breitwieser ist einer von ihnen. Für die Bürger jener Zeit ist er ein Verbrecher, für die Elendsbevölkerung jedoch ein mythenumwobener Verteidiger der Entrechteten, der „Robin Hood von Wien“. Ein Technikfanatiker, der sein Gewerbe revolutionierte.
Er wächst als sechstes von zwölf Kindern eines Schustergehilfen und einer Wäscherin im Wiener Vorstadtbezirk Meidling auf. Die Familie wechselt öfters ihre Wohnung, wobei diese von Mal zu Mal kleiner wird. Sie gilt als „verflucht-arm, hundearm“. Als Hauptnahrungsmittel dienen Kartoffeln, die Vater Breitwieser im Brachland aufzieht. Schani ist als Straßenkind mehr oder minder auf sich selbst gestellt, bereits als Vierjähriger führt er akrobatische Stücke auf, um sich ein paar Kreuzer zu verdienen. Die Mutter bezeichnet ihn als „genauso verdorben, wie die Wurscht vom Greißler“. Er verbringt viel Zeit im sogenannten Räuberhölzl, den Brachflächen und Wäldchen rund um Meidling. Noch mehr zieht es ihn zum Meidlinger Friedhof, wo er bald alle Namen der Toten kennt und sich mit Vorliebe auf die Gräber legt, „damit die Toten mit meinen Augen schauen können“, und in das kaiserliche Schloß Schönbrunn, um dort die eine oder andere Nacht zu verbringen. Am meisten gefällt es ihm aber im Schönbrunner Tiergarten, wo er sich oft über Nacht einsperren lässt, um das Verhalten der Tiere in Ruhe zu studieren. Bei einem Polizeiverhör gibt er an, dass „A Aff mei Lehrer und a Bär mei Professor“ war. Die Steinmetzlehre bricht er bald ab, da er bei dieser zu ausbildungsfremden Tätigkeiten gezwungen wird. Sein erstes Mädchen will mit ihm gehen, wenn er „anständige Kleidung“ hat, also verübt er seinen ersten Diebstahl. Von der Beute kauft er sich einen schicken, neuen Anzug.
Am 5.2.1906 steht er erstmals vor Gericht – er hat ein Paar Filzschuhe gestohlen und weitere 20 Paar zum heimlichen Abtransport bereit gelegt. Vom Richter gefragt, warum er dies getan hat, antwortet er „Aus Not“. Ein Monat Kerker erscheint dem Richter gerecht. Nach dem Gefängnisaufenthalt begeht er weitere Gelegenheitsdiebstähle und hält sich mit kleineren Jobs über Wasser. 1908 taucht er unter, um einer sechsmonatigen Strafe zu entgehen, und wird Fahrradbote. Die Räuberbande „Bruderschaft der schwarzen Larven“ nimmt ihn in ihrer Mitte auf und weist ihm den Weg in die Professionalität des Gewerbes. Die Beute, die vornehmlich von reichen Bankiers und Kriegsgewinnlern stammt, wird zum guten Teil an Bedürftige des Bezirks verteilt. Der stets hilfsbereite „Eisenschlitzer“ und „König von Meidling“ Schani Breitwieser („Die Banken, die Pülcher haben eh zu viel, wir haben zu wenig …“) wird von der Bevölkerung geliebt und beschützt. Seinen letzten, spektakulären Coup landet er 1919 in der Hirtenberger Waffen- und Munitionsfabrik. Dabei kann er eine halbe Million Goldkronen erbeuten. Der spätere Hirtenberger-Besitzer Fritz Mandl (1900-1970) ist in weiterer Folge übrigens nicht nur in abstruse Dolfuß-Mussolini-Geschäfte verwickelt, sondern auch, obwohl 1938 nach Argentinien emigriert, fest dabei, mit Nazideutschland Geschäfte abzuwickeln. Die Firma besteht leider immer noch. In St. Andrä bei Wien kauft Schani Breitwieser unter falschem Namen ein Haus, das er mit seiner Geliebten Anna Maxiam nicht nur luxuriös einrichtet, sondern auch zu einem hochmodernen Laboratorium, samt einer auf der Höhe ihrer Zeit stehenden technischen Bibliothek, ausbaut. In diesem wird er jedoch 1919 von der Polizei „tödlich verhaftet“. Im Keller werden neben akribisch geführten Versuchsaufzeichnungen u.a. auch fünf mächtige Kassenschränke, diverse Metall- und Eisensorten zum Experimentieren, ein autogener Schweißappart, 5000 l komprimierter Sauerstoff, transportable Schränke mit wohlsortierten Feilen, Dietrichen, Brecheisen und ein schwachstrombetriebener Handbohrer aufgefunden - alles aus eigener Fabrikation.
20.-40.000 Menschen wohnen Breitwiesers Begräbnis bei, das Grab versinkt in einem Meer von Kerzen und Blumen. Noch Jahre später finden sich stets frische Blumen am Grab, und zu Allerheiligen ist dieses so gut besucht, dass nicht einmal Familienmitgliedern der Zugang möglich ist. Der „rasende Reporter“ und Schriftsteller Egon Erwin Kisch würdigt Schani Breitwieser in seinem Nachruf als einen „Mann der Tat, des Mutes, des Ernstes und der Intelligenz“.